Krebstherapie: eine Zeit der Revolution

Im vergangenen Jahrzehnt hat die Therapie maligner Erkrankungen große Fortschritte gemacht. Zielgerichtete Substanzen und die Immuntherapie stellen Medizin und Gesellschaft vor neue Herausforderungen.

Redaktion: Axel Beer

Anlässlich des Weltkrebstages 2019 fasst Univ.-Prof. Dr. Christoph Zielinski rezente Entwicklungen in der Tumortherapie zusammen. „Derzeit werden die Bücher zur Krebstherapie neu geschrieben. Wir leben in Zeiten einer Revolution“. Im Zentrum der neuen medizinischen Entwicklungen steht für Zielinski die Immuntherapie, James Allison und Tasuku Honjo hatten 2018 für die Erforschung der immunologischen Checkpoints den Nobelpreis erhalten.

Zielinski, der das Comprehensive Cancer Center der Meduni Wien leitet, spricht von einem Paradigmenwechsel in der Therapie maligner Erkrankungen. Mutationen und Tumorbiologie würden auch zukünftig bedeutender werden, wohingegen die Relevanz der Anatomie bei der Klassifizierung von malignen Erkrankungen abnehme. So spielt die BRAF-Mutation für die zielgerichtete Therapie sowohl beim malignen Melanom, als auch dem nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom und dem Kolorektalkarzinom eine Rolle. Auch mit Blick auf das Nebenwirkungsspektrum stehen die Onkologen vor einer völlig neuen Entwicklung. Die Hochregulierung des Immunsystems durch diese Therapien führt zu einem Nebenwirkungsprofil ähnlich einer Autoimmunerkrankung. Neue Optionen mit neuen Nebenwirkungen machen eine gute Patientenkommunikation notwendig, so der Onkologe.

Beispiel metastasiertes Nierenzellkarzinom

Ein Beispiel für die Rolle der Immuntherapie und der zielgerichteten Therapie ist laut Univ.-Prof. Dr. Manuela Schmidinger das metastasierte Nierenzellkarzinom. In dieser Indikation ist derzeit keine  wirksame Chemotherapie verfügbar. Patienten hatten daher vor zehn Jahren eine entsprechend schlechte Prognose. Die größten Erfolge bringen derzeit eine Kombinationstherapie aus Angiogenesehemmern und Immuntherapien. Schmidinger berichtet von einer Komplettremissionsrate von 16 Prozent im metastasierten Stadium.

Zielgerichtet Therapien hätten, so Zielinski, die Medizin revolutioniert: allein im vergangenen Jahrzehnt wurden  60 zielgerichtete Substanzen neu zugelassen. Das Ergebnis: In den vergangenen 25 Jahren hat sich das Gesamtüberleben von Menschen mit Tumorerkrankungen um 25 Prozent verlängert. Auch wenn es zusehends gelinge, den Krebs zu einer chronischen Erkrankung zu machen, dämpfte Zielinski die Erwartungen: „Wir sind nicht dort, dass wir Krebs heilen, auch die Immuntherapie ist kein Allheilmittel.“.

Die steigende Lebenserwartung führt zu einer höheren Inzidenz von Tumorerkrankungen, gleichzeitig erhöhen neue Therapieoptionen das Gesamtüberleben der Patienten. Das stellt die Ärzteschaft nicht nur vor medizinische, sondern auch vor gesellschaftliche und makroökonomische Herausforderungen, wie Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda, Präsident der Österreichischen Krebshilfe, betonte. Er fordert die rasche Umsetzung des Ausbaus der Hospiz- und Palliativversorgung. „Wir sind als Ärzte mit Menschen konfrontiert, die ihre Krebserkrankung nicht überleben. Die Infrastruktur reicht bei weitem nicht aus, um den Menschen eine würdevolles Sterben zu ermöglichen“. Sevelda verwies auf einen parlamentarischen Allparteienbeschluss aus dem Jahr 2014 und richtet deutliche Worte an die Politik: „Wir brauchen Initiativen die nicht leere Worte sind“. Unterstützung kommt von Zielinski, der eine einfache Rechnung anstellt: „400 bis 600 Tausend Menschen sind direkt von Krebs betroffen. Mit Familienmitgliedern sind das eine Million. Das ist eine wahlentscheidende Gruppierung“.
(Axel Beer, 5.2.2019)