Jungärzte: Kombination aus Spital und Praxis

Am 19. und 20. Oktober findet der nextdoc Jungärzte-Kongress in Wien statt. Der Kongress-Vorsitzende, Turnusärztevertreter Dr. Eduardo Maldonado-González, spricht im nextdoc-Interview über Simulationstraining, Teilzeit, Work-Life-Balance, die Arbeitsbelastung im Spital und die Selbstständigkeit.

Interview: Sophie Niedenzu

nextdoc: Welche Themen beschäftigen derzeit angehende Jungärzte?

Maldonado-González: Ich bin jetzt im zweiten Jahr Turnusärztevertreter im Donauspital und war davor schon zwei Jahre lang Stellvertreter, außerdem arbeite ich im Referat für Arbeitslose und Jungmediziner in der Ärztekammer Wien. Da betrafen die häufigsten Fragen die Karriere und den Verdienst. Als ich angefangen habe, waren 70-Stunden-Wochen normal. Hauptsache war, einen Arbeitsplatz zu haben. Die aktuelle Generation der Medizinstudierenden fragt nicht nur wegen Familienplanung nach Teilzeitmöglichkeiten, sondern möchte allgemein mehr Freizeit haben. Wir bekommen viele Anfragen von Männern, die noch im Studium sind, wie die Rahmenbedingungen für 30-Stunden-Stellen sind. Viele überlegen sich, nach der Arztausbildung die Stunden zu reduzieren. Das ist neu.

nextdoc: Für viele angehende Ärzte stellt sich auch die Frage, ob sie selbständig werden wollen und wie es dann mit der Work-Life-Balance aussieht.

Maldonado-González: Sehr viele Jungärzte gehen vertreten, da müssen sie sich nicht mit Verträgen auseinandersetzen. Die Kombination aus 30-Stunden Spitalsarbeit pro Woche und zusätzlicher Ordinationsvertretung ist recht beliebt. Was auch interessant zu beobachten ist: Viele Fachärzte, die ihren Turnus vor einigen Jahren nicht abgeschlossen haben, bewerben sich wieder für den Turnus, um die letzten Fächer zu absolvieren. Als fertiger Allgemeinmediziner sind die Möglichkeiten groß: Schularzt, eine eigene Ordination oder auch als Arbeitsmediziner – letzteres ist sehr im Kommen. Hier gibt es auch gute Möglichkeiten, Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Ich möchte Intensivmediziner werden, daher werde ich im Spital bleiben. Aber ich verstehe, wenn Kollegen sagen, dass ihnen die Arbeit im Spital zu viel ist. Wenn sich die Arbeitsbelastung im Spital nicht ändert, wird es hier bald einen Ärztemangel geben. Viele Kollegen lassen sich mittlerweile die Überstunden nicht ausbezahlen, sondern nehmen Zeitausgleich. Dann fehlen die Ärzte: bei der knappen Ressourcenlage genügt es, dass einer krank und ein anderer im Zeitausgleich ist – und das System fällt.

“Die Kombination aus 30-Stunden Spitalsarbeit und anschließend Ordinationsvertretung ist recht beliebt”

nextdoc: Mehr Allgemeinmediziner würden auch die Spitäler entlasten. Eine Studie an der MedUni Graz hat auch gezeigt, dass viele Medizinstudierende sich mehr Allgemeinmedizin im Studium wünschen.

Maldonado-González: Ja, auch hierzu erhalten wir im Referat einige Anfragen. Glücklicherweise ändert sich einiges, wohl auch als Folge der aktuellen Bemühungen, die Allgemeinmedizin als Fach aufzuwerten. Und Gruppenpraxen oder Job Sharing Modelle helfen, Familie, Freizeit und Beruf zu vereinbaren. Wir benötigen gute Allgemeinmediziner, die die Patienten betreuen, damit nicht alle ins Krankenhaus kommen. Die Notaufnahmen sind voll mit Patienten, von denen 80 Prozent durch einen Hausarzt versorgt werden könnten. Dazu gehört aber auch, dass Allgemeinmediziner bessere Honorare erhalten und für Zusatzleistungen bezahlt werden, wie etwa Wundmanagement. Das ist auch ein Thema beim Jungärzte-Kongress: Wundmanagement ist für die Primärversorgung ausgesprochen wichtig.

nextdoc: Wie sieht es allgemein mit Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Jungärzte aus?

Maldonado-González: Wir haben eine hohe Nachfrage bei Jungärzten und versuchen, das dann auch umzusetzen. Zum Beispiel ist es notwendig, dass jeder Allgemeinmediziner auch einen Ultraschallkurs absolviert – der wird auch vom Wiener KAV bezahlt. Leider ist es dann schon frustrierend, wenn man hier ein Mini-Budget freigibt, aber andererseits beispielsweise mit dem Krankenhaus Nord Millionen verloren hat. Man spart an den falschen Enden. Kongresse wie der Jungärzte-Kongress sind gut, weil die Mediziner sich hier direkt in Workshops untereinander austauschen: Es gibt einen Workshop für Chirurgie und einen zu präklinischer und klinischer Maßnahmen bei Reanimationen. Das ist wichtig, denn Medizin besteht nicht nur aus tausenden Buchseiten, sondern auch aus praktischen Übungen.

“Medizin besteht nicht nur aus tausend Buchseiten, sondern auch aus praktischen Übungen”

nextdoc: Deswegen fließt auch vermehrt Simulationstraining in Lehre und Studium ein.

Maldonado-González: Am Beispiel Ultraschall sieht man, wie notwendig das ist: Der Kurs wird an einem gesunden, schlanken Model durchgeführt. Was aber, wenn der Patient übergewichtig und krank ist? Wie geht man dann mit dem Ultraschall um, wie sind die Bilder bei einem Kranken? Mit einer Puppe können diverse Pathologien simuliert werden. In vielen Ländern wie den USA, Deutschland oder Großbritannien ist es Usus, dass Jungärzte auf den Kliniken mit ihren Simulationspuppen arbeiten. Österreich hinkt hier leider etwas hinterher.

nextdoc: Wie gut lassen sich Beruf und Familie als Arzt vereinbaren?

Maldonado-González: Bei uns im SMZ Ost gibt es einen sehr guten, modernen Kindergarten, aber auch hier gibt es dann ein Problem spätestens im Sommer, weil Betriebsurlaub ist. Als ich keine Kinder hatte, war mir das egal. Ich sehe aber jetzt, dass es ein Problem wird – außer, der Partner ist daheim. Und das ist auch nicht fair. Auch wirtschaftlich: meine Frau war zwei Jahre in Karenz, das geht auch auf die Pension. Das ist ein Thema, worüber unter Ärzten wenig gesprochen wird. Das Thema Familie und Beruf bekommt nicht das Gewicht, das es haben sollte. Bei den Gehaltsverhandlungen wurde viel mehr kommuniziert. (11.10.2018)

 

Dr. Eduardo Maldonado-González ist Turnusärztevertreter & Assistenzarzt für Innere Medizin am SMZ Ost/Donauspital. Er hat den Vorsitz beim nextdoc-Jungärzte-Kongress (19./20. Oktober) inne und ist Teilnehmer der dortigen Podiumsdiskussion zum Thema “Neue Ausbildungsreform umsonst – steuert Österreich weiterhin auf den Ärztemangel zu?”.

Das Interview führte Sophie Niedenzu.

 

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Fotos: Stefan Seelig