Ethik in Forschung und Medizin

Foto: MedMedia Verlag und Mediaservice GmbH/Sophie Niedenzu. Von links: Dan Shechtman, Jerome Isacc Friedman, Tim Hunt

Drei Nobelpreisträger diskutierten bei einer Veranstaltung der Ärztekammer für Wien über Forschung und Medizin im Spannungsfeld zwischen Innovation und Ethik. 

Redaktion: Sophie Niedenzu

Folgendes Szenario: Es gibt ein hohes Budget, das in die Medizin investiert werden kann. Sollte dieses Geld verwendet werden, um an einer Krankheit zu forschen, die eine niedrige Prävalenz hat und womöglich geheilt werden kann? Oder ist das Geld besser für Medikamente aufgehoben, die Menschen mit einer häufigeren Erkrankung und damit insgesamt mehr Patienten hilft? Diese Frage stellte Dan Shechtman, Nobelpreisträger für Chemie, im Rahmen der von der Ärztekammer für Wien organisierten Podiumsdiskussion „Heiligt der Zweck die Mittel? – Wie weit darf Wissenschaft gehen?“. Neben Shechtman diskutierten Sir Richard Tim Hunt, Nobelpreisträger für Physiologie oder Medizin sowie Jerome Isaac Friedman, Nobelpreisträger für Physik über ethische Fragen in der Forschung.

Friedman vertrat in der Diskussion die Meinung, dass neben der Forschung von Erkrankungen geringer Prävalenz auch neue und ungewöhnlichere Forschungsansätze eine entsprechend finanzielle Unterstützung benötigen würden. Was die Voraussetzungen für Nachwuchsforscher angeht, zeigten sich die Diskussionsteilnehmer optimistisch: Neue Erkenntnisse seien zu erwarten, die auch dazu führen würden, dass Krebs in vielen Entitäten zukünftig geheilt werden könne.

Grenzen in der Medizin

Laut Friedman sei bei ethischen Fragestellungen zwischen zwischen Wissenschaft und Technologie zu unterscheiden: So ist es eine technologische Entscheidung, das wissenschaftlich untersuchte Uranium für Atombomben zu verwenden. Bei der Frage danach, ob man wissenschaftliche Forschungen eingrenzen sollte, um keine Technologien zu ermöglichen, die sich auch gegen Menschen richten kann, antwortete Shechtman: „Wissenschaftliche Entdeckungen und die technologischen Umsetzungen lassen sich nicht verhindern, sondern höchstens bremsen.“ Wenn in Europa in einem Forschungsgebiet wie etwa der Stammzellforschung aus ethischen Gründen nicht gearbeitet würde, dann würde das woanders passieren, wie etwa in China.

Bei der Veranstaltung wurden auch gentechnische Methoden thematisiert und der Frage nachgegangen, wo die Grenzen dafür lägen – bis hin zum „Designer-Baby“. Die drei Nobelpreisträger waren sich darin einig, dass genetische Defekte behandelt werden sollten und daher die Gentechnik absolut notwendig sei. „Ohne Gentechnik sind einige Menschen zum Tode verurteilt, weil immunologische Defekte ansonsten nicht korrigiert werden könnten“, sagte Hunt. Und Friedman betonte bei der Frage nach den Grenzen die sozialen Konsequenzen als Folge von durch Gentechnik herbeigeführte „Designer-Babies“. (Sophie Niedenzu, 31.1.2018)

 

Jerome Isaac Friedman erhielt 1990 zusammen mit Richard E. Taylor und Henry W. Kendall den Nobelpreis für Physik für Experimente der tiefinelastischen Streuung von Elektronen an Protonen und Neutronen. Damit konnte das Quarkmodell, wonach Kernteilchen aus punktförmigen kleineren Teilchen bestehen, experimentiell bestätigt werden.

Sir Richard Timothy Hunt erhielt 2001 zusammen mit Paul Nurse und Leland H. Hartwell für ihre Entdeckung zum Thema “Kontrolle des Zellzyklus” den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Die Forscher konnten Schlüsselmoleküle im Zellzyklus identifizieren, die bei Hefepilzen, Pflanzen,  Tieren und Menschen gleichermaßen funktionieren.

Dan Shechtman erhielt 2011 den Nobelpreis für Chemie für die Entdeckung der Quasikristalle, die er erstmals 1982  in einer Aluminium-Mangan-Legierung identifizierte. Seitdem haben Wissenschaftler Quasikristalle im Labor hergestellt, außerdem wurden welche in der Natur entdeckt. Quasikristalle können hohen Druck und Hitze aushalten, sind aber nicht biegbar.