Die MedUni Wien distanziert sich von der Homöopathie

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Die MedUni Wien beendet vorerst das Wahlfach „Homöopathie“. Die ÖH sprach sich für eine „kritische Auseinandersetzung“ und gegen eine „Werbeveranstaltung“ aus, der Rektor der MedUni Wien, Markus Müller, bezog klar Stellung für die evidenzbasierte Medizin und gegen „alternativmedizinische Ideen“.

Redaktion: Sophie Niedenzu

„Die Ausübung des ärztlichen Berufes umfasst jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird“: so lautet der bisherige Paragraf zwei des Ärztegesetzes – und auch in Zukunft: Nach massiven Kontroversen rund um den Entwurf, die Alternativmedizin in das Berufsbild zu integrieren, wurde diese Passusveränderung wieder verworfen.

Die Diskussion um evidenzbasierte Medizin versus Alternativmedizin ist nicht neu. Neu ist allerdings, dass die MedUni Wien nun selbst Maßnahmen setzt und sich von der Alternativmedizin distanziert. Die  Studien- und Prüfungsabteilung hat zuletzt ein Absage-Mail an alle angemeldeten Teilnehmer dieses Wahlfaches ausgesendet. Auch in Facebook-Gruppen wurde die Absage von Medizinstudierenden gepostet: „ABSAGE der Lehrveranstaltung …3SSt VO Homöopathie …aufgrund von zahlreichen Beschwerden wird das Wahlfach ab der nächsten Einheit 31.10.2018 nicht mehr stattfinden. Sie werden alle von der LV abgemeldet.“ Die Homöopathie-Vorlesung, die seit vielen Jahren immer wieder in der Kritik stand, erscheint nicht mehr im LV-Verzeichnis und ist damit Geschichte.

Ursprünglich sei die Lehrveranstaltung als kritische Auseinandersetzung mit Homöopathie beworben worden: „Da dies aber in den vergangenen Semestern nicht der Realität entsprach und sich mehrere Studierende direkt bei der Uni beschwert hatten, wurde die Vorlesung auch zum Teil aufgrund unseres Feedbacks vorerst beendet“, sagt die ÖH-Vorsitzende der MedUni Wien, Julia Wunsch. Die ÖH spreche sich prinzipiell für eine kritische Auseinandersetzung mit alternativmedizinischen Heilmethoden aus, zumal Ärzte mit Patienten konfrontiert seien, die daran glauben: „Sie sollte aber kritisch sein und nicht als Werbeveranstaltung erfolgen“, sagt Wunsch.

„Geistartige Kraft“ einer Grundsubstanz

200 Jahre alt ist die Idee, die hinter der Homöopathie steckt. Samuel Hahnemann zeigte sich überzeugt, dass durch das wiederholte Verdünnen einer Grundsubstanz mit Wasser die „im inneren Wesen der Arzneien verborgene, geistartige Kraft“ freigesetzt wird. Außerdem wirke, seiner Meinung nach, eine Substanz besser, je öfter diese verdünnt werde.

Auch niedergelassene Ärzte setzen sich offensiv mit dem kontroversiellen Thema auseinander: „Als Arzt wende ich mich konkret gegen die Scharlatanerie“, sagte etwa der Kinder- und Jugendmediziner Werner Schlegel in einem nextdoc-Interview. Er setze in seiner Praxis auf Aufklärung: „Herr Hahnemann hat im 18. Jahrhundert gelebt – wenn man sich die damaligen medizinischen Möglichkeiten anschaut, dann ist die Homöopathie damals tatsächlich besser gewesen, weil sie zumindest nicht weiter geschadet hat.“ Auch auf seiner Webseite bekennt er sich klar zur evidenzbasierten Medizin. „Paramedizinische oder pseudowissenschaftliche – dogmatische – Therapieweisen“ hätten „im besten Fall keine Wirkung oder die eines Scheinmedikaments (Placebo), im schlimmsten Fall schädigen sie den Patienten, weil ihm möglicherweise wirksame Medikamente vorenthalten wurden.“

Komplementärmedizinische Ambulanz am AKH Wien

Das gleiche Argument nannte im März auch die Patientenanwältin Sigrid Pilz in einem Schreiben an den Rektor der MedUni Wien, Markus Müller. Sie bezog sich damit auf eine Spezialambulanz am AKH Wien: Dass eine Homöopathieambulanz betrieben werde sei „höchst bedenklich“ und „zutiefst abzulehnen“. Es bestehe, so Pilz, die Sorge, dass durch den „Ritterschlag“, den die Homöopathie seitens der MUW erhalte, wichtige wissensbasierte Behandlungen zu spät oder nicht eingesetzt würden, oder dass schwere Erkrankungen eine fatale Entwicklung nehmen würden, weil „mit der Gabe von wirkungslosen Mitteln dem Patienten eine zielführende Therapie vorenthalten wird.“

Mit der „Homöopathieambulanz“ ist dabei die Spezialambulanz „Komplementärmedizin in der Onkologie“ gemeint, die im AKH Wien an der Inneren Medizin I angesiedelt ist. „Eine eigene, dezidierte Homöopathieambulanz gibt es nicht. Unsere Spezialambulanz ist Anlaufstelle für Patienten, die neben ihrer evidenzbasierten Behandlung von sich aus beschließen, spezifische komplementärmedizinische Angebote zu nutzen“, sagt Herbert Watzke, Leiter der Universitätsklinik für Innere Medizin I.

Es sei nicht Aufgabe des Arztes, Patienten Alternativmedizin anzubieten, sehr wohl sei aber eine Beratung der Patienten notwendig, die sich von sich aus dazu entschließen, zusätzliche alternativmedizinische Methoden während ihrer Therapie zu nutzen. So könne geprüft werden, ob die zusätzliche Behandlung nicht in die evidenzbasierte medizinische Behandlung eingreift – also beispielsweise die Chemotherapie abschwächt.

Evidenzbasierte Medizin im Fokus

Die Lehre, Wissenschaft und auch die angebotene Patientenbehandlung habe ganz klar evidenzbasiert zu agieren, so Watzke. Auf nextdoc-Nachfrage bezog auch Müller klar Stellung für die evidenzbasierte Medizin: „Die MedUni Wien ist als international sichtbare, österreichische Leitinstitution dem Prinzip der evidenzbasierten Medizin verpflichtet. Patienten sollten daher ausschließlich nachvollziehbare und wissenschaftsbasierte Heilverfahren angeboten werden. Diese institutionelle Haltung spiegelt nicht nur die österreichische Position der Ausbildung im Rahmen des Masterstudiums zum „Doctor medicinae universae“ (Dr. med. univ.) wider sondern wird auch von internationalen Fachmedien und einem relevanten und mittlerweile auch einem weiten Spektrum der veröffentlichten Meinung vertreten.“ Daher böte die MedUni Wien, so Müller, „kein Angebot alternativmedizinischer Ideen“.

Der Rektor selbst hatte seine Einstellung zur evidenzbasierten Medizin bereits vor einigen Jahren klar kommuniziert. Mit dem aktuellen Schritt der MedUni Wien, sich institutionell von der Alternativmedizin zu distanzieren, schließt sie sich der Meinung vieler aus der scientific community an. So hatte beispielsweise die Dachorganisation der europäischen Akademien der Wissenschaften, das European Academies Science Advisory Council (EASAC), dafür plädiert, dass in Europa nur nachweisbar wirksame Medizinprodukte verkauft werden sollten. Der Grund: Es gebe keine Belege für die Wirksamkeit von Homöopathie, und ihre Anwendung verzögere evidenzbasierte Therapien.

Laut Müller wurde Michael Frass, der bisherige Leiter der Lehrveranstaltung zur Homöopathie und Leiter der komplementärmedizinischen Ambulanz, mit Anfang des Jahres darüber informiert, dass sich die MedUni Wien von unwissenschaftlichen Methoden und namentlich der sogenannten Homöopathie institutionell distanziere. Frass kommentierte die aktuelle Situation damit, dass viele Studenten die Absage der Lehrveranstaltung bedauern würden. (Sophie Niedenzu, 23.11.2018)

 

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