Der akute Schmerz im Nachtdienst

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Schmerzen nach einer Operation rauben den Patienten den Schlaf und stören das Allgemeinbefinden. Welche Medikamente sollten wann eingesetzt werden und wie wird der akute Schmerz richtig beurteilt? Hier ein Überblick über das Schmerzmanagement.

Die ersten Tage als Arzt in Ausbildung, mit dem Diplom frisch in der Tasche, fühlten sich an wie Szenen in Scrubs. Der erste Nachtdienst war kein gewöhnlicher, sondern ein Samstags-Nachtdienst. Die Ausgangslage: viele Betten, wenig Personal. Hier ein Leitfaden für den ersten Nachtdienst.

Zuallererst gilt: Überblick verschaffen. Welcher Schmerz liegt genau vor: Kopfschmerzen, Abdomenschmerzen, Rückenschmerzen oder Thoraxschmerzen? Die anschließende Anamnese sollte Fragen beinhalten wie:

  • Wo ist der Schmerz genau?
  • Wann hat er begonnen (neu aufgetreten oder Zunahme chronischer Schmerzen)?
  • Wie ist die Schmerzart?
  • Welche Dauermedikation nimmt der Patient?

Die Schmerzintensität kann unterschiedlich erfasst werden:

  • Visuelle Analogskala (VAS): 0 = kein Schmerz, 10 = unerträglicher Schmerz
  • Verbale Rating-Skala (VRS): 0 = kein Schmerz, 1 = leicht, 2 = mäßig, 3 = mittelstark, 4 = stark, 5 = sehr stark
  • Numerische Rating-Skala (NRS): 0 – 10

Besonders bei Kindern sind zusätzlich Gesichtsausdruck, Körperhaltung und Weinen oder Unruhe wichtige Hinweise. Den Schmerz richtig zu messen ist außerdem schwierig bei alten oder dementen Patienten, bei Suchpatienten, bei vorliegenden Depressionen oder kognitiven Einschränkungen oder Sprechunfähigkeit oder bei fremdsprachigen Patienten.

Medikamentöse und konservative Schmerzbehandlung

Neben einer medikamentösen Behandlung wird akuter Schmerz auch konservativ mit Lagerungsmanövern, Schienung oder Kühlung behandelt. Das Wichtigste ist allerdings, die Ursache zu bekämpfen. Eine Angina Pectoris wird beispielsweise medikamentös mit Morphinhydrochlorid-Trihydrat behandelt. Liegt eine dislozierte Fraktur vor, erfolgt eine achsengerechte Reposition.

Das Ziel der akuten Schmerztherapie ist die maximale Schmerzlinderung, um den Leidensdruck das Patienten rasch zu reduzieren. Außerdem wird damit einem Schock vorgebeugt oder er wird damit unterbrochen. Wer nämlich den Schmerz frühzeitig und suffizient behandelt, verhindert so eine Stressreaktion und die Ausbildung des Schmerzgedächtnisses. Die verwendeten Medikamente sollten einfach in der Handhabung sein, schnell wirken, potent und nebenwirkungsarm und optimalerweise antagonisierbar sein. Die Dosierung erfolgt immer nach dem Idealgewicht. Für eine stationäre Behandlung ist folgendes notwendig: ein venöser Zugang, Sauerstoffgabe, Monitoring, Blutdruckmessung und eine Pulsoxymetrie.

Insgesamt gibt es laut WHO drei Stufen der analgetischen Therapie: Stufe 1 sind Nichtopioid-Analgetika, Stufe 2 inkludiert niederpotente Opioid-Analgetika und Nichtopioid-Analgetika und Stufe 3 sind hochpotente Opioid-Analgetika + Nichtopioid-Analgetika.

Nichtopioid-Analgetika

Zu dieser Gruppe gehören Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) mit den Untergruppen Salicylate wie ASS, Carbonsäurederivate wie Diclofenac, Ibuprofen und Naproxen und COX2-Inhibitoren wie Celecoxib und Valdecoxib. Neben den NSAR zählen auch Pyrazolone wie Metamizol und Aniline wie Paracetamol zu den Nicht-Opioidanalgetika der ersten Stufe. Im Gegensatz zu Paracetamol reichern sich Ibuprofen, Diclofenac und ASS im entzündeten Gewebe an und sind somit entzündungshemmend. Als gutes Co-Analgetikum liegt die Dosierung bei 1g bis zu viermal täglich. Bei leichten Schmerzen werden of NSARs und Metamizol angewendet.

Der Allrounder S-Ketamin gehört ebenfalls zu den Nichtopioid-Analgetika. Es ist ein hoch potentes Analgetikum und Anästhetikum, das in der Notfall- und Intensivmedizin seit Jahren klinisch angewendet wird. Aufgrund der vielen Wirkungen auf das zentrale Nervensystem und seine neuroprotektiven Eigenschaften hat es eine große therapeutische Breite. Das Arzneimittel erzeugt eine dissoziative Anästhesie, das heißt der Patient spürt zwar keinen Schmerz, aber die Reflextätigkeiten bleiben erhalten. In der Notfallmedizin erhalten etwa Patienten mit Frakturen, Verbrennungen und Weichteiltraumata S-Ketamin.

Die Dosierung erfolgt intravenös: 0,25 – 1mg/kg KG oder intramuskulär 0,5 – 2mg/kg KG (Narkoseeinleitung) (1 – 2mg/kg KG). Eine Kombination mit Benzodiazeptin kann das Auftreten von Albträumen und Halluzinationen teilweise verhindern, die Behandlung sollte aber nicht ohne Monitoring durchgeführt werden.

Folgende Nebenwirkungen sind bekannt:

  • Psychomimetische Wirkung
  • Sympathikus-Aktivierung
  • Erhöhung des (myokardialen) Sauerstoffbedarfs
  • Speichelsekretion
  • Unfreiwillige Spontanbewegungen
  • Erhöhung des Gehirndrucks (ICP)
  • Bei Halluzinationen: Abschirmung mit z.B. Dormicum® 1-2mg
  • Bei Sekretion: Atropin 0,5mg

Akutmedizinisch relevante Kontraindikationen sind manifeste Herzinsuffizienz, perforierende Augenverletzungen, Präeklampsie/Eklampsie/Uterusruptur und isoliertes Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ohne Narkose.

Nichtopioid-Analgetika sind überwiegend schwache Analgetika mir einer mangelnden Potenz und einem verzögerten Wirkeintritt. Daher ist diese Medikation in der Notfall- oder Akutmedizin nur von sehr geringem analgetischen Nutzen.

Opioid-Analgetika

Opioid-Analgetika sind Arzneimittel, die an Opioidrezeptoren, die vor allem im zentralen Nervensystem zu finden sind, schmerzdämpfend wirken: Es sind überwiegend µ -Opioidrezeptor-Agonisten mit unterschiedlicher Affinität. Das pharmakokinetische Profil, wie beispielsweise die Lipophilie, die Proteinbindung und die Ionisation, ist ausschlaggebend für Wirkmaximum, Wirkpotenz und Wirkdauer. Hinzu kommt ein moderates Nebenwirkungsprofil. Opioid-Analgetika haben eine hohe Wirkpotenz und eine rasche Anschlagzeit und sind daher auch die effektivsten Schmerzmittel.

Zu den niederpotenten Opioid-Analgetika gehören Tramadol, Tilidin und Naloxon (oral) und Dihydrocodein. In die Klasse der hochpotenten Opioid-Analgetika fallen Buprenorphin, Fentanyl, Hydromorphon, Morphin und Oxycodon. Patienten sollten die Opioide in einem festgelegten Intervall einnehmen. Wird das Intervall verkürzt, besteht die Gefahr der Akkumulation des Wirkstoffes. Falls der Patient stärkere Schmerzen hat, sollte daher nicht die Frequenz, sondern die Dosis erhöht werden.

Hier die wichtigsten Analgetika in der Übersichtstabelle:

Akuter Schmerz

 

Um den genannten Nebenwirkungen der Analgetika wie Erbrechen und Übelkeit vorzubeugen, erhalten die Patienten häufig zusätzlich Antiemetika. Dazu gehören Dimenhydrinat, Ondansetron, Tropisetron, Haloperidol, Dexamethason (wirkt zusätzlich antiphlogistisch und antiödematös) und Propofol.

Schmerztherapie bei leichtem, moderaten und starkem Schmerz

Schmerztherapie

Kombinations-Infusionsanalgesie und Praxisbeispiele

Patienten mit mittleren Schmerzen hilft oft eine kombinierte Schmerztherapie. Der sogenannte „Würzburger Tropf“ ist eine Kombination aus zwei Analgetika und einem Antiemetikum in einer Vollelektrolytlösung. Die kombinierte Infusion besteht häufig aus 400 – 600mg Tramadol, 3 bis 5g Metamizol und 2,5mg Droperidol (DHB) und wir in 500ml RL über 24 Stunden verabreicht. Die Startdosis beträgt 100ml über 30 Minuten, die Erhaltungsdosis 20ml/h.

Praxisbeispiele:

bei Analgesie / Thoraxschmerz

  • Morphin 2,5-5mg
  • Fentanyl 0,05-0,1mg

+ das Antiemetikum Metoclopramid (MCP) 10mg

Achtung: langsam herantitrieren!

 

bei Analgesie / Abdomenschmerz / Koliken

Infusion:

  • Metamizol 2,5g
  • +Butylscopolamin
  • 2 Amp. (20mg/Amp.)

(Arastoo Nia, 23.7.2018)

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